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Wie weh Kinderarmut wirklich tut

Erich Fenninger und Betroffene zeigen schmerzhafte, langfristige Folgen auf, die Armut verursacht

„Armut tut weh. Und zwar nicht nur psychisch, auch physisch“, sagt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich heute Vormittag einleitend bei einer Pressekonferenz. Die Volkshilfe macht Kinderarmut zum Thema, denn „obwohl die handfesten Zahlen und Statistiken vorliegen, wollen offensichtlich viele Menschen nicht an die tatsächliche Existenz von armutsbetroffenen Kindern in unserem Land glauben.“

Fenninger spricht in diesem Zusammenhang auch die aktuellen Pläne der Bundesregierung an, die Mindestsicherung zu kürzen. Während man für ein Kind zukünftig nur 215 Euro erhalten soll, sind es beim zweiten Kind nur mehr 130 und ab dem dritten gar 43 Euro. „Diese Vorschläge bedeuten viel weniger Geld für mindestens 45.345 Kinder und sind ein Bekenntnis zur Verschärfung von Kinderarmut.“ Der Direktor appelliert an die Bundesregierung: „Sehen Sie den Tatsachen ins Auge! 324.000 Kinder in unserem Land leben bereits jetzt in Armut. Mit der Kürzung der Mindestsicherung tragen Sie dazu bei, dass es diesen Kindern noch schlechter als ohnehin schon geht.“

Was Armut für Kinder in Österreich bedeutet

Kinder erleben die Armut. Denn wenn der Strom abgeschaltet wird, die Delogierung bevorsteht oder der Wochenendeinkauf sehr schmal ausfällt, verschieben sich alle Prioritäten in einer Familie. Diese existenziellen Belastungen wirken sich unmittelbar auf die Lebensrealitäten der Kinder aus. Judith Ranftler, Sozialarbeiterin und Volkshilfe-Expertin für Kinderarmut: „Ein Kind, das seinen Geburtstag nicht feiern kann und niemanden nach Hause mitbringen kann, wird auch von anderen Kinder nicht eingeladen. Darüber hinaus machen die Kinder die Sorgen der Eltern zu ihren eigenen Themen. Das verhindert eine altersadäquate Entwicklung in allen Bereichen.“

Finanzielle Einschränkungen haben massive Auswirkung auf die Gesundheit

Armutsbetroffene Kinder haben beispielsweise massive Einschränkungen in der Nahrung. Eine betroffene Mutter: „Für mich wäre es Luxus, wenn ich zumindest einmal in der Woche Fisch kaufen könnte.“ Fenninger: „Dabei handelt es sich nicht um Einzelfälle. Rund 54.000 Menschen können es sich zum Beispiel nicht leisten, jeden zweiten Tag Fisch, Fleisch oder eine vergleichbare vegetarische Speise zu essen.“ Ebenso macht sich Armut beim Wohnen bemerkbar. Wohnungen von armutsbetroffenen Familien sind kleiner, dunkler und feuchter. Oft sind die Mietverhältnisse auch sehr prekär und im Winter schlecht beheizt. Außerdem liegen die Wohnungen häufig in nicht so beliebten Vierteln und auf viel befahrenen Straßen, was die Gefahrenlage und damit Unfälle und Verletzungen erhöht.

Alle materiellen Einschränkungen haben Auswirkungen auf die Gesundheit der Kinder, zeigt Ranftler auf: „Die Kinder leiden psychisch unter der Armut. Denn wenn die Eltern sehr belastet sind, wirkt sich das auf die Kinder in allen Bereichen aus. In feuchten, schimmligen Wohnungen entwickeln sich außerdem Krankheiten viel häufiger. Dazu kommt, dass sich die Kinder oft nicht vollständig auskurieren können – denn eine alleinerziehende Mutter kann oft einfach nicht so lange daheimbleiben, wie es eigentlich notwendig wäre.“ Nicht zuletzt sind armutsbetroffene Kinder häufig von Übergewicht betroffen und sind auch körperlich oft nicht so gut in der Lage, in überraschenden Situationen ausweichend zu reagieren: „Die Kinder sind es beispielsweise gar nicht gewohnt, Sport zu machen, denn die dazu notwendigen Ausrüstungen und Vereinsmitgliedschaften bleiben ihnen von Anfang an verwehrt.“

Armutsbetroffene Kinder haben viel weniger soziale Kontakte

Ein viel kleineres Umfeld, wenig Bezugspersonen und weniger Menschen, mit denen die Kinder über ihre Sorgen reden können – ebenfalls Bedingungen, die sich langfristig auswirken, sagt Ranftler: „Beispielsweise führt das kleinere Umfeld auch zu einer eingeschränkten Sicht der Kinder. Denn niemand lebt ihnen ein erfülltes Leben vor – sie haben oft gar keine Vorstellung davon, was es für ein gelingendes Leben braucht.“

Sie beschäftigen sich außerdem mit Themen, die nicht altersgemäß sind: „Die Kinder fühlen sich für die finanzielle Situation ihrer Familie verantwortlich. Dadurch sind sie sorgenvoller, belasteter und stecken ihre Bedürfnisse zurück. Sie haben insgesamt ein höheres Risiko für psychische Belastungsreaktionen, das auf die äußeren Umstände zurückzuführen ist.“

Kinder stärken, statt schwächen!

Weder Entwicklungsmöglichkeiten, noch Zukunftschancen dürfen von den finanziellen Möglichkeiten der Eltern abhängen, sagt Fenninger: „Kindliche Bedürfnisse müssen für alle in Österreich lebenden Kinder gesichert sein – am besten durch individuell angepasste Leistungen mit Fokus auf Bekämpfung von Kinderarmut und Erweiterung der kindlichen Lebenswelten.“ Abschließend weist er auf einen großen Wurf hin, den die Volkshilfe in Kürze präsentieren wird: „Wir haben einen konkreten Vorschlag, mit dem Kinderarmut in Österreich ein für alle Mal abgeschafft werden kann. Und wir hoffen auf offene Ohren dafür von der Bundesregierung. Denn nur gemeinsam können wir Kinderarmut abschaffen. Und wir werden aufzeigen, wie.“

25. Juni 2018

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