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Frauenarmut ist kein Naturgesetz

Altersarmut ist weiblich. Aber sie ist kein Naturgesetz, ein umfassendes Armutsbekämpfungspaket kann nachhaltig Abhilfe schaffen. Die Zeit ist dafür ist überreif, die Forderungen der ExpertInnen liegen am Tisch.

FRAUENARMUT IN ÖSTERREICH

„AUCH WIR MÄNNER MÜSSEN UMDENKEN“

"Statt 365 Tage Politik für Konzerne zu betreiben und am 8. März Blumen zu verteilen, soll die Politik endlich die notwendigen Reformschritte setzen um Frauenarmut abzuschaffen“, mahnt Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, anlässlich des Internationalen Frauentages.

Frauen sind signifikant stärker von Armut betroffen als Männer, das gilt insbesondere für alleinstehende Frauen, Alleinerzieherinnen und ältere Frauen. Altersarmut von Frauen ist besonders alarmierend: die mittlere monatliche Alterspension der Frauen ist mit 982 Euro beinahe halb so gering wie die Alterspension der Männer mit 1.953 Euro.

Für diese Ungleichheit gibt es keine Rechtfertigung, aber eine Erklärung: sie liegt in den jahrzehntelangen Versäumnissen der Politik, die das Leben von Frauen maßgeblich prägen und zu Armut im Alter führen. Gegenrezepte wie der flächendecken Ausbau von Kinderbetreuungsreinrichtungen, Ganztagsschulen oder Tageszentren für Pflegebedürftige und Maßnahmen zur besseren Vereinbarkeit von Pflege und Beruf sind längst bekannt.

"Die Politik muss sich einfach durchringen und die finanziellen Mittel zur Verfügung stellen statt Konzernen Steuergeschenkte zu bereiten und am 8. März zu leeren Bekenntnissen auszurücken“, appelliert der Volkshilfe-Direktor.

Frauen übernehmen den größeren Teil der Kinderbetreuung und stellen Dreiviertel aller pflegenden Angehörigen. „Das heißt im Umkehrschluss auch, Männer müssen sich an diesen wichtigen Aufgaben stärker beteiligen. Die Politik muss die Bedingungen für Halbe-Halbe verbessern, aber auch wir sind gefragt, umzudenken“, erinnert Fenninger abschließend.

ZAHLEN, FAKTEN, FORDERUNGEN

ZAHLEN ZU FRAUENARMUT

  • 2018 waren lt. Definition der Europa 2020-Strategie 1.512.000 Personen armuts- oder ausgrenzungsgefährdet, das entspricht 17,5 Prozent der Gesamtbevölkerung
  • Der Anteil der Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdeten der Gesamtbevölkerung ging von 20,6% im Jahr 2008 auf 17,5% im Jahr 2018 zurück – in absoluten Zahlen waren das 187.000 armuts- oder ausgrenzungsgefährdeten Personen weniger als 2008
  • 14,3% der Bevölkerung bzw. 1.238.000 Personen waren im Jahr 2018 armutsgefährdet
  • Laut EU-SILC 2018 sind 372.000 bzw. 21% der Kinder und Jugendlichen unter 20 Jahren sowie 645.000 Frauen und 459.000 Männer ab 20 Jahren von Armuts- oder Ausgrenzungsgefährdung betroffen
  • Frauen sind mit einer Quote von 18% häufiger armuts- oder ausgrenzungsgefährdet als Männer (15%)
  • Da aber die Haushaltseinkommen herangezogen werden – anstelle der Individualeinkommen, sind Geschlechterungleichheiten nur eingeschränkt erkennbar
  • Alleinlebende Personen sind deutlich stärker armuts- oder ausgrenzungsgefährdet (Männer 28%, Frauen 32%)
  • mit 26% Armutsgefährdung liegen alleinlebende Pensionistinnen über der Risikoquote von alleinlebenden Pensionisten (15%)
  • Ein-Personen-Haushalte unterhalb des Pensionsalters sind in noch stärkerem Ausmaß von Armutsgefährdung betroffen: alleinlebende Frauen haben ein Armutsrisiko von 25%, alleinlebende Männer von 21%
  • Personen in Ein-Eltern-Haushalten (37%) oder in Mehrpersonenhaushalten mit mindestens drei Kindern (26%) haben die höchsten Armutsgefährdungsquoten unter den Haushalten mit Kindern
  • Ein-Eltern-Haushalte – das sind fast ausschließlich Frauen mit ihren Kindern – haben das höchste Armutsrisiko aller Haushaltstypen
  • Rund 30% aller Personen in Österreich lebt in Haushalten mit einer Frau als Hauptverdienerin (alleinlebende Frauen, Ein-Eltern-Haushalte sowie Personen in Familien, in denen die Frau den größten Beitrag zum Haushaltseinkommen leistet), in solchen Haushalten liegt die Armutsgefährdungsquote bei 23%. Gibt es einen männlichen Hauptverdiener beträgt sie hingegen unterdurchschnittliche 11%
  • Insgesamt sind 2,8% der Bevölkerung erheblichen materiellen Einschränkungen ausgesetzt
  • 98.000 Frauen und 88.000 Männer ab 20 Jahren sowie 57.000 Kinder und Jugendliche (unter 20 Jahren) leben in Österreich in Haushalten mit erheblicher materieller Deprivation
  • alleinlebende Männer (6%) und Frauen (5%) ohne Pensionsbezug sind öfter erheblich materiell depriviert als die Bevölkerung im Durchschnitt
  • Personen in Ein-Eltern-Haushalten (8%) und Personen in Mehrpersonenhaushalten mit drei oder mehr Kindern (6%) sind deutlich stärker betroffen
  • In Österreich sind (lt. Statistik Austria, EU-SILC 2018) 8% bzw. 316.000 der Erwerbstätigen armutsgefährdet (18 bis 64-Jährige, die mehr als die Hälfte des Referenzjahres erwerbstätig waren)
  • Das bedeutet, sie haben weniger als 1.259 Euro (bei einem Ein-Personen-Haushalt pro Monat zur Verfügung.
  • Konkret haben rund 300.000 erwerbstätige Menschen nicht mehr als 600 Euro zur Verfügung
  • Frauen sind bedeutend häufiger im Niedriglohnsektor tätig als Männer und sind weitaus häufiger von Armut betroffen als Männer. Dennoch ist lt. EU-SILC (Statistik Austria, 2019) der Männeranteil (8%) der Gruppe der Working Poor höher als der Anteil der Frauen (7%). Dies liegt darin begründet, dass die Basis der Working-Poor-Datenerhebung nicht das Einkommen der einzelnen Person bildet, sondern den gemeinsamen Haushalt. Das bedeutet, wenn z.B. in einem gemeinsamen Haushalt eines Mannes und einer Frau – die Frau berufstätig ist, aber nur wenig verdient, dann zählt sie insofern nicht als Working Poor, wenn der Partner relativ gut verdient. Es ist daher erforderlich, die Zahlen in Bezug auf Individualeinkommen, Haushaltsgröße und Erwerbsbeteiligung bzw. -Intensität zu analysieren
  • Frauen verdienen 2018 15,2% (Vollzeitbeschäftigte) weniger bzw. müssen mehr arbeiten als Männer, um das gleiche Einkommen für die gleiche Arbeit zu erhalten
  • Diese Unterschiede setzen sich – noch verstärkt durch Erwerbsreduktionen und -unterbrechungen – in der Pension fort
  • Lt. Dachverband der österreichischen Sozialversicherungsträger betrug die mittlere monatliche Alterspension der Frauen (2018) 982 Euro, jene der Männer 1.953 Euro. Die Alterspensionen der Frauen waren somit im Mittel um 49,7% niedriger als jene der Männer.
  • Die Neuzuerkennungen zeigen eine ähnlich große Pensionsdifferenz.Bei den 2018 neu zuerkannten Pensionen waren die mittleren Alterspensionen der Frauen mit 1.133 Euro um 49,2% niedriger als jene der Männer mit 2.232 Euro.
  • Laut der Erhebung EU-SILC 2018 waren 26% der alleinlebenden Pensionistinnen und 15% der alleinlebenden Pensionisten armutsgefährdet.

URSACHEN VON FRAUENARMUT

  • Österreich zählt zu den Spitzenreitern bei geschlechtsspezifischen Lohnunterschieden: Der Gender-Pay-Gap liegt 2018 mit 19,6% über dem europäischen Durchschnitt von 15,7%
  • bei Pensionen und Ersatzleistungen für Arbeitslose sind Frauen auf Grund der engen Koppelung an Erwerbseinkommen wesentlich schlechter gestellt
  • strukturelle Nachteile am Arbeitsmarkt, geschlechterspezifische Berufswahl auf Grund von gesellschaftlichen Rollenbildern und die ungleiche branchenspezifische Entlohnung
  • Betreuungspflichten und mangelnde flächendeckende außerfamiliäre Betreuungsangebote oder Ganztagsschulen von Kindern sind vielfach Hinderungsgründe für die Aufnahme einer (Vollzeit-)Erwerbstätigkeit für Frauen
  • Der Anteil von Frauen unter den pflegenden Angehörigen in der häuslichen Betreuung liegt bei 73 Prozent, die pflegende Tätigkeit ist meist nur schwer mit der eigenen Lohnarbeit zu vereinbaren, weshalb 28 Prozent der pflegenden Angehörigen, die keine Vollzeiterwerbstätigkeit nachgehen, Stunden auf Grund der Betreuungssituation reduziert oder die Erwerbstätigkeit vollständig aufgegebenen zu haben
  • Problematisch ist auch die ungleiche Verteilung von bezahlter Erwerbsarbeit und anderen unbezahlten Tätigkeiten, wie Fürsorge für Kinder sowie Haushaltstätigkeiten

FORDERUNGEN DER VOLKSHILFE

  • Ausbau kostenfreier, qualitativ hochwertiger und flächendeckender Kinderbetreuungseinrichtungen und Ganztagsschulen mit Öffnungszeiten, die eine Vollzeitbeschäftigung möglich machen
  • Maßnahmen zur Vereinbarkeit von Pflege/Betreuung und Berufstätigkeit
  • Ausbau von leistbaren, flächendeckenden Tageszentren und anderen stundenweise verfügbaren Betreuungsangeboten
  • Ausbau der Pflegefreistellung
  • Ausbau des öffentlichen, kostengünstigen Transports, der existenzsichernde Beschäftigung unterstützt
  • Eine bessere Bewertung von Teilzeitarbeit, Teilzeit muss auch mit Karriere zusammengedacht werden
  • Partnerschaftliche Arbeitsteilung fördern (z.B. durch Steuer- und Familienpolitik)
  • Frauendominierte Beschäftigungsbereiche müssen besser entlohnt werden, insbesondere der gesellschaftlich hoch relevanten Bereiche wie Kinderbetreuung, Bildung, Gesundheitswesen oder Pflege
  • Verpflichtende Quoten für Leitungs-und Kontrollgremien von Kapitalgesellschaften und Genossenschaften und wirksame Sanktionen, wenn die Quoten nicht erfüllt werden
  • Koppelung von öffentlicher Auftragsvergabe und Förderungen an Aktivitäten zur Gleichstellung im Betrieb
  • Lohn- und Gehaltstransparenz durch eine detaillierte Aufgliederung aller betrieblichen Einkommensberichte in sämtliche Gehaltsbestandteile
  • Wochenarbeitszeitverkürzung bei gleichen Bezügen (und damit steigende Arbeitszufriedenheit und Senkung von Krankenständen/ CO2-Emmissionen)
  • Rechtsanspruch auf Unterhaltsvorschuss solange Familienbeihilfe bezogen wird, Anpassung der Unterhaltsbemessung an angemessene Regelbedarfssätz
  • Ausbau der staatlich finanzierten, flächendeckenden und rechtlich abgesicherten Frauen- und Mädchenberatungsstellen

6. März 2020

MIT FREUNDLICHER UNTERSTÜTZUNG VON

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