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Ein Gespräch mit Ramona Krammer, Pflegedienstleiterin VH Salzburg

Ramona Krammer ist seit 2019 mit Vollblut Pflegedienstleiterin bei der Volkshilfe Salzburg. Im Interview erzählt sie uns von den Belastungen während der Corona-Zeit, ihren Wünschen, politisch manche Dinge zu verbessern, aber auch von viel Zuversicht für die Zukunft.
 

Was fällt Dir spontan positives zu Corona ein?
Man kann seit Beginn der Pandemie deutlich sehen, auf wen man sich im Unternehmen auch in einer Krisenzeit verlassen kann, wer eine wichtige Stütze ist und wer Dinge übernimmt, die früher vielleicht unsichtbar waren, wie zum Beispiel Reinigungstätigkeiten oder Materiallieferungen, die Zivildiener durchgeführt haben. Sie waren für uns noch wertvoller als sonst.

Wie stark waren die Belastungen für die Pflege-Mitarbeiter beim ersten Lockdown?
In den ersten Monaten der Corona-Krise dominierte bei unseren Mitarbeitern klarerweise die Angst vor dem Ungewissen. Auch ich hatte schlaflose Nächte, man fragt sich natürlich, was bedeutet diese Pandemie, wie virulent ist sie, was bleibt am Ende übrig. Die psychischen Belastungen für unsere Pflege-MitarbeiterInnen waren und sind noch immer hoch. Sie leisten im Pflegebereich eh schon minimum 120%, dazu kommt, dass oft Familienangehörige aktuell arbeitslos sind, oder schon sehr lange in Kurzarbeit stecken.

Was sind die größten Belastungen für die pflegenden Angehörigen?
Die Haushalte sind oft Mehrfachbelastungen ausgeliefert, Kinder können vielleicht die Lehre nicht starten, oder müssen im Homeoffice betreut werden, der Mann ist arbeitslos, oder schon lange in Kurzarbeit. Die finanziellen Mittel fehlen oftmals, dadurch herrscht ein riesiger Druck auf die Familien, weil man sich keine Pflegekraft mehr leisten kann. Sehr oft werden auch die Sozialkontakte abgebrochen.

Da braucht es zukünftig viel Vertrauensarbeit...
Man muss unbedingt das soziale Netz ausbauen, viel Unterstützung anbieten, wie zum Beispiel die telefonische Beratung. Denn spätestens dann, wenn die starke Belastung wieder loslässt, muss mit Pflegeeinrichtung und mobilem Dienst der Gefahr einer Abwärtsspirale entgegengewirkt werden. Da sollten wir wirklich gut vorbereitet sein. Für unsere Mitarbeiter haben wir intern daher schon viel investiert in Fortbildungen, Hygiene-Schulungen und Unterweisungen.

Siehst du die Pflege als systemrelevant?
Absolut. Pflege ist mehr als nur die organisierte Pflege. Pflege ist Pflege zuhause, Pflege ist auch Nachbarschaftshilfe. Wenn diese ganzen Stützen wegbrechen, würde bei uns das reinste Chaos herrschen.

Bekommt ihr Lob und Zuspruch für Eure Arbeit?
Wir haben sehr viel Zuspruch von den Angehörigen erhalten, vor allem auch, was die politische Sicht der Dinge betrifft. Vielen ist jetzt einfach bewusster geworden: Wir werden uns um die Pflege kümmern müssen, weil sonst kann sich die Pflege nicht mehr um uns kümmern! Wir bekommen Anrufe von Angehörigen, aber auch ehemaligen Kunden, die ihren Dank aussprechen und damit sagen wollen: "Wir sehen Euch!" Das zu hören, freut uns alle sehr! Das ist unser Ansporn weiter mit Mut und Zuversicht zu handeln in dieser schwierigen Zeit!

Wie steht es mit Impfung bei der mobilen Pflege?
Ich bin enttäuscht, wie in der Politik mit diesem Thema umgegangen wird. Unsere Mitarbeiter begeben sich das ganze Jahr über in viele Gefahren, können jederzeit ihre Familien anstecken, wie kann es sein, dass wir in der mobilen Pflege nicht schnellstens durchgeimpft werden? Je nach Bundesland wird das anders gehandhabt, aber hier in Salzburg scheinen wir politisch unsichtbar zu sein, weder in Plänen, noch in Gesprächen kommen wir vor. Der Slogan des letzten Regierungs-programmes "mobil vor stationär", wurde anscheinlich mit Tippex einfach ausgelöscht.
Als Pflegedienstleiterin die Mitarbeiter bei Laune zu halten, indem ich immer nur sagen kann, "wir wissen hier nur, dass wir nichts wissen", ist zermürbend.

Wie steht es mit Schutzkleidung und Desinfektionsmittel?
In der ersten Phase der Pandemie mussten wir jedem einzelnen Händedesinfektionsmittel hinterher-laufen, wir waren einfach auf diese Mengen nicht vorbereitet. Mittlerweile haben wir das aber sehr gut im Griff, unsere Lager sind voll, gott sei Dank haben sich da auch die Preise stabilisiert.

Ganz anders bei den Schutzhandschuhen, die Preise haben sich da auf dem Weltmarkt verdreifacht, finanziell ist das eine große Belastung für uns und unsere Kundinnen und Kunden.

Wie machst Du Deinen Mitarbeitern Mut?
Ein Spruch trägt mich persönlich durch die Pandemie: "Nur nicht verzagen! Da hinten wird es hell!" Es wird nicht dasselbe wie vorher werden, aber es wird gut werden! Da bin ich absolut zuversichtlich. Wir sind viele, wir sind eine riesige Gruppe an pflegend-betreuenden Sorgenden und gemeinsam mit den Angehörigen sind wir viele und stark und können was bewegen. Die Pflege ist im Laufe der Jahrzehnte erwachsen geworden, da wird noch viel positives passieren!

Wie hat das mit den Pflegern aus dem Ausland funktioniert?
Der zusätzliche freiwillige Einsatz der Pflegekräfte aus dem Ausland für eine 24h-Betreuung war in der Hochzeit der Pandemie enorm. Auch politisch hat sich da plötzlich sehr viel bewegt: die 24h-Betreuung von ausländischen Pflegekräften wurde relativ unbürokratisch und rasch ermöglicht, trotz vieler pandemiebedingter Hürden. Viele der Betreuungskräfte sind auch nach Ablauf ihrer Zeit hier geblieben, um zu helfen und haben das Wohl ihrer Klienten über ihr eigenes gestellt. Das alles in einer Zeit der Ungewissheit. Meine große Hochachtung dafür!

Was würdest du politisch gerne sofort ändern?
Wir hätten natürlich gerne, wie auch 95% der Österreicher in allen Berufsspaten, eine bessere Bezahlung, aber vor allem wünschen wir uns eine Wertschätzung und Selbstverständnis in der Pflege: Pflege ist nicht der Handlanger vom Arzt oder von der Medizin. Man muss sich vorstellen, bis vor kurzem durften diplomierte Pfleger nur unter Aufsicht eines Arztes Covid-Testungen durchführen. Beispielsweise darf ein Sanitäter jederzeit testen, aber wir brauchen für die Durchführung eines Corona-Tests bei unseren Klienten einen Arzt? Was wird uns eigentlich zugetraut? Ich erinnere daran: Die Pflege wird an der FH gelehrt! Meine Forderung ist, die Kompetenzen der Pflege müssen endlich anerkannt werden!

Kannst Du noch ein konkretes Beispiel nennen?
Da gibt es viele. In Ballungsräumen ist mobile Pflege oft massiv staugeplagt. Aber sie sollte möglichst schnell und wendig dort sein, wo sie gebraucht wird. Warum nicht unkonventionell denken in Hinsicht auf Verkehrserleichterungen, wie beispielsweise das Befahren von Busspuren? Stauzeiten sind teilweise nicht in der Arbeitszeit integriert, was viele Interessierte davon abhält,beruflich in die mobile Pflege zu wechseln. Oder warum wird eine Verordnung über Inkontinenz-Material über den Arzt veranlasst? Wir sind die Pflege, wir sind vor Ort, wir besorgen die Artikel, wozu braucht es einen Arzt dazu?

Tut sich da schon was gesetzlich?
Gesetzlich wurde schon verankert, dass die Weiterverordnung von medizinischen Produkten über die Pflege passieren darf, leider funktioniert das aber in der Umsetzung noch nicht, die Formulare sind nicht greifbar für uns, aufgrund fehlender Informationen. Die Ärzte sind durch die Ärzte-kammer sehr gut aufgestellt, das fehlt in der Pflege und auch das Gemeinsame und Verbindende. Es fängt ja schon damit an, dass ein Arzt teilweise nach Einzelleistung bezahlt wird, die Pflege danach, was sie schafft in einer gewissen Zeit. Das ist nicht im Sinne unserer Klientinnen und Klienten: Unter Zeitdruck kann nicht gut gepflegt werden. Ich denke, ein Großteil der Ärzte wäre sehr dankbar, wenn sie manche Tätigkeiten dorthin geben dürften, wo sie hingehören: nämlich zur Pflege!

Magst du Deinen Beruf?
Auf jeden Fall. Ich sehe mich im Bereich der Pflege alt, 2019 habe ich meine erste Pflegedienst-leitung angenommen, ob ich das für alle Ewigkeit machen werde, kann ich noch nicht sagen, aber die Pflege hat den Vorteil, dass sie eines der abwechslungsreichsten Berufsfelder überhaupt ist, man hat viele Möglichkeiten, sich zu entfalten: man kann sich selbständig machen, in die Beratung gehen, im Akutbereich arbeiten, im Langzeitbereich, oder an Schulen unterrichten und vieles mehr.

Was wird sich ändern nach Corona?
Uns ist klar geworden, wir müssen in Zukunft viel mehr investieren in Planungen und das in alle Richtungen, wir müssen besser gewappnet sein und immer Plan B haben, denn wie man gesehen hat, können von einem Tag auf den anderen unvorhergesehene Dinge passieren.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Gespräch führte Lisa Peres, VH Ö

12. April 2021

Info zur Person

Ramona Krammer, geboren in Gmunden, absolvierte 2004 ihr allgemeines Diplom für Gesundheits- und Krankenpflege. Ihre zusätzlichen Aus-/Weiterbildungen sind: Geriatrische Pflege, dipl. Aromatologin, dipl. Ernährungstrainerin, Case & Caremanagement. Seit 2012 arbeitet sie für die Volkshilfe Salzburg, seit 2019 als Pflegedienstleiterin

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