Der aktuelle Volkshilfe Umfrage hat erhoben, wie es den arbeitssuchenden Menschen in den sozialökonomischen Betrieben der Volkshilfe Wien in der Krise geht. Wie schätzen Sie ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt ein? Und wie viel Vertrauen haben sie, dass die Regierung ihnen hilft?
Langzeitarbeitslose Menschen haben geringe Zuversicht einen Job zu finden
Aktuelle zählen wir etwas weniger als 400.000 (392.360) arbeitslos gemeldete bzw. in Schulung befindliche Personen. Die Langzeitarbeitslosen unter ihnen trifft es besonders hart, denn sie haben derzeit besonders schlechte Chancen einen Arbeitsplatz zu finden. Bereits vor dem ersten Lockdown im März 2020 waren rund 100.000 Menschen als langzeitbeschäftigungslos beim AMS gemeldet. Die Corona-Krise hat die Situation nochmals dramatisch verschärft: Ein gutes Jahr später, im Mai 2021, liegt die Zahl der Langzeitbeschäftigungslosen bereits bei 144.850 Menschen.
Unsere Umfrage verdeutlicht welche Last Langzeitarbeitslose ertragen müssen und mit welch negativen Zukunftschancen sie rechnen: Mehr als die Hälfte der befragten Langzeitarbeitslosen (53,1%) geht davon aus, dass ihre Jobchancen eher schlecht bis sehr schlecht sind. Nur 15% rechnen damit, dass sie sehr gute oder gute Chancen auf einen Job haben.
Auffallend ist, dass nun nicht mehr nur Ältere und Menschen mit gesundheitlichen Einschränkungen langzeitarbeitslos sind, sondern in zusehendem Ausmaß junge Menschen und höher Qualifizierte dauerhaft vom Arbeitsmarkt ausgegrenzt sind. Auch an unserer Umfrage können 20% der befragten langzeitarbeitslosen Menschen einen Hochschulabschluss oder Matura vorweisen. Rund 1/3 der Befragten ist jünger oder 40 Jahre alt. Es ist sowohl politisch als auch ökonomisch verwerflich und kurzsichtig, diese Menschen im Stich zu lassen und letztlich einem steigenden Armutsrisiko auszusetzen.
Doch wie unsere Befragung zeigt, schätzen die langzeitarbeitssuchenden Menschen die Politik der Regierung nur dürftig ein: Über die Hälfte der Befragten (54,9%) beantworten die Frage, ob sie Vertrauen in die Regierung haben, dass sie Arbeitsplätze absichern mit „nein“ oder „eher nein“. Und auch die Arbeitslosenabsicherung der Regierung lässt zu wünschen übrig. Auch mehr als die Hälfte der Befragten (51,3%) verneinen die Frage: „Haben Sie Vertrauen in die Regierung, arbeitslose Menschen abzusichern?“
Wie unsere Umfrage bestätigt, sind vor allem Langzeitbeschäftigungslose einem hohen Armutsrisiko ausgesetzt, bei ihnen liegt die Armutsgefährdungsquote bei rund 70%. Mehr als 1/3 der Befragten sind auf die Mindestsicherung angewiesen - trotz Erhalt der Notstandshilfe oder des Arbeitslosengeldes. Dies verdeutlicht die Notwendigkeit einer höheren Arbeitslosenversicherung, um Armut zu mindern und Teilhabe – nicht zuletzt berufliche Teilhabe – zu ermöglichen.
Derzeit wird wieder einmal versucht, Arbeitslosigkeit zu einem selbst verschuldeten individuell lösbaren Problem zu erklären. Die Bundesregierung sollte keinesfalls die Vulnerabelsten durch Kürzungen des Arbeitslosengeldes oder gar Streichung der Notstandshilfe bestrafen, sondern sie finanziell ausreichend unterstützen. Doch bei rund der Hälfte unserer befragten Langzeitarbeitslosen ist die finanzielle Belastung im Vergleich zu Vorkrisenzeiten gleich geblieben, bei etwas mehr als jede*r Vierte*n (26,5%) ist die finanzielle Last sogar gestiegen. Die Einmalboni der Regierung sind folglich nicht ausreichend, um ihre prekäre Lage abzuwenden.
Mit (Langzeit-)Arbeitslosigkeit ist bekanntlich nicht nur ein hohes Armutsrisiko, sondern auch hohe Gesundheitsgefährdung verbunden: Auch unter unseren Befragten zeichnet sich ein Anstieg von Stress und psychischen Belastungen ab: Mehr als 1/3 der Langzeitarbeitslosen (38,9%) hat im Vergleich zu Vorkrisenzeiten mehr psychische Belastungen und Stress empfunden.
Mehr als die Hälfte (53,1%) arbeitet 30-38 Stunden im sozialökonomischen Betrieb, am anderen Ende der Skala arbeiten 28,3% zwischen 10 und 15 Stunden
Es sind mehr als 80% (80,6%) sehr oder eher zufrieden mit ihrer Arbeit und der Betreuung in einem sozialökonomischen Betrieb der Volkshilfe Wien.
Weitere Detailergebnisse:
Dauer Arbeitslosigkeit
Unter den Teilnehmer*innen an der Umfrage sind 26,5% länger als 3 Jahre arbeitslos, 23% länger als 5 Jahre und 8,8% sogar länger als 10 Jahre.
Zusammenfassend lässt sich feststellen, Langzeitbeschäftigungslose sind durch die Pandemie und die damit einhergehende Jobkrise besonders betroffen, sie sind besonders verwundbar und belastet:
- Ihre beruflichen Aussichten sind trist
- Ihre finanzielle Absicherung schrumpft monatlich
- Die psychischen Belastungen der Betroffenen nehmen hingegen merklich zu
Daher fordern wir:
- Armutsfeste Arbeitslosenversicherung & das Recht auf menschenwürdige, gemeinwohlorientierte Arbeit
- Ausreichende existenzielle Absicherung der einzelnen arbeitssuchenden Menschen durch die Regierung – insbesondere der Langzeitbeschäftigungslosen
- Erhöhung des Arbeitslosengeldes zur Existenzsicherung von derzeit 55% auf 70% des Nettoeinkommens
- Eine menschenwürdige Jobgarantie. Das bedeutet Ausgaben, die ansonsten für Arbeitslosigkeit anfallen würden, werden für die Finanzierung von Jobs herangezogen.
- Die Bundesregierung garantiert jedem Menschen einen Arbeitsplatz zum kollektivvertraglichen Mindestlohn. Die Jobgarantie muss freiwillig sein und sollte sich vorrangig an jene Menschen richten, die sie am dringendsten benötigen, wie Langzeitarbeitslose
- Finanzielle Förderung von Weiterbildung bzw. Qualifizierung – insbesondere in zukunftsfähigen Bereichen, wie der Pflege oder in der Kreislaufwirtschaft – ist weiters unabdingbar, um die individuellen Arbeitsmarktchancen zu verbessern.
- Ausbau der sozioökonomischen Betriebe bei gleichzeitigem Ausbau der Nachbetreuung, um Menschen langfristige Zukunftsperspektiven zu ermöglichen.
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7. Juni 2021