625 Euro pro Monat für ein gelingendes Leben mit allen Chancen
324.000 Kinder und Jugendliche sind armutsgefährdet. Armut bedeutet nicht nur Ausgrenzung, sondern Einschränkungen im täglichen Leben, sagt Erich Fenninger einleitend bei der heutigen Pressekonferenz der Volkshilfe: „54.000 Kinder in unserem Land müssen auf ein nahrhaftes Essen verzichten, 69.000 auf neue Kleidung, wenn die alte abgenutzt ist. 118.000 können nicht auf Urlaub fahren und gar 180.000 leben in Haushalten, die unerwartete Ausgaben wie beispielsweise den Ersatz einer kaputten Waschmaschine nicht bewältigen können.“
Benachteiligung in vier Lebensbereichen
Eine Langzeitstudie von Gerda Holz identifiziert die Auswirkungen von Kinderarmut in vier Dimensionen: Materielle, kulturelle, gesundheitliche und soziale Unterversorgung. „Diese Einschränkungen führen dazu, dass sich die Kinder nicht altersgerecht entwickeln können. Die finanziellen Mittel stehen in Verbindung mit dem Knüpfen von sozialen Kontakten und Netzwerken, dem Bildungsweg und letztendlich auch mit der gesundheitlichen Entwicklung. Unsere gesellschaftlichen Strukturen verunmöglichen armutsbetroffenen Kindern, diesem Kreislauf zu entkommen. Und trotzdem wird ihre Lebenssituation als individuelles Problem dargestellt.“, sagt der Direktor.
Doch es handle sich nicht um individuelle Probleme, sondern es sei Aufgabe des Staates, strukturelle Armut zu überwinden. „Anstatt als eine der ersten folgenschweren Handlungen die Mindestsicherung zu kürzen, wäre die Regierung gut beraten, sich über die tatsächlichen Kosten, die für eine altersgerechte Entwicklung von Kindern anfallen, Gedanken zu machen.“ Fenninger kritisiert das mangelnde Wissen in Österreich über die tatsächlichen Kosten für Kinder. „Die letzte Kinderkostenanalyse auf Basis der Konsumerhebung stammt von 1964. Seither haben sich die Lebensumstände und Bedürfnisse von Kindern drastisch verändert. Nicht geändert haben sich der veraltete Warenkorb und die Daten als Grundlage für diverse Geldleistungen wie Unterhaltshöhe. Das ist ein Skandal.“
Wir müssen uns an den tatsächlichen Kosten orientieren!
Ausgehend vom Mangel einer umfassenden Kinderkostenanalyse haben sich Fenninger und die Volkshilfe nun an den Referenzbudgets der ASB Schuldnerberatungen GmbH orientiert, um die tatsächlichen Kosten für ein altersgerechtes Aufwachsen zu eruieren. „Ordnet man den vier Dimensionen von Kinderarmut die jeweiligen Kosten zu, die für eine altersgerechte Entwicklung anfallen, so zeigt sich, wie viel es tatsächlich für ein gelingendes Leben, für ein Aufwachsen mit allen Chancen braucht.“
So werden rund 120 Euro für Wohnen, 115 Euro für Nahrung und rund 65 Euro für witterungsgemäße Kleidung ausgegeben – gesamt rund 300 Euro für eine ausreichende materielle Ausstattung. Damit jedes Kind alle Bildungschancen hat, ist der Zugang zu schulrelevanten Veranstaltungen, die Möglichkeit für Förderkurse oder bestmögliche Kinderbetreuung notwendig – laut ASB Schuldnerberatungen GmbH entstehen dafür monatliche Kosten von bis zu 200 Euro. Auch die soziale Teilhabe muss sichergestellt werden, um ein Aufwachsen ohne Ausschlüsse zu ermöglichen: Für Freizeitaktivitäten wie Musikinstrumente, einen Ausflug mit FreundInnen oder Vereinssport werden durchschnittlich 95 Euro pro Monat berechnet. Und letztlich braucht es ergänzend zur bereits vorhandenen öffentlichen Infrastruktur der Gesundheitsversorgung rund 30 Euro pro Monat für Körperpflege und Gesundheitsvorsorge.
625 Euro für ein Aufwachsen mit Zukunftschancen
Gesamt ergibt das einen Betrag von 625 Euro, so Fenninger: „Den Kindern soll nicht nur das untere Minimum zur Verfügung stehen. Um Kinderarmut zu vermeiden, ist es notwendig, sich an den Kosten zu orientieren, die für eine altersgerechte Entwicklung anfallen. Nur so kann Kinderarmut abgeschafft werden.“