Ukraine: „Die Eistage sind gefürchtet“

Anhaltende humanitäre Krise

Seit dem Februar 2022 leiden die Menschen in der Ukraine unter dem russischen Angriffskrieg. Täglich werden Städte und Dörfer beschossen oder bombardiert. Fast 3.800 Schulen und Kindergärten wur­den seit dem Beginn der Kämpfe beschädigt oder zerstört, ebenso wie hunderte Krankenhäuser und andere Gesundheitseinrichtun­gen. Bis Ende September 2023 wurden über 9.800 Zivilisten ge­tötet. Über die Gefallenen an der Front gibt es keine offiziellen An­gaben.

Die Wintermonate sind für die Menschen eine besondere He­rausforderung. Vor allem im Osten des Landes können die Temperaturen oft weit unter den Gefrierpunkt fallen. Die Winter sind lang, kalt und oft schnee­reich. Gefürchtet sind vor al­lem die Eistage – jene Tage, an denen die Temperaturen unter den Gefrierpunkt fallen und dort verharren. Auch treten immer wieder längere Kältewellen auf – nämlich dann, wenn die Groß­wetterlage arktische Kaltluft in die Ukraine führt.

 

Die Bedrohung durch gezielte Zerstörung ziviler Infrastruk­tur

Im letzten Winter hat die russische Armee gezielt zivile Infrastruktur angegriffen, um die ukrainische Bevölkerung zu zer­mürben. Im ganzen Land wurden Heizanlagen und Kraftwerke be­schädigt oder ganz zerstört. Dies führte über den ganzen Winter hindurch zu häufigen und langen Unterbrechungen der Strom­versorgung. Viele Menschen konnten ihre Wohnungen nicht heizen, da die Versorgung mit Fernwärme nicht funktionierte. Die Menschen saßen oft tage-und wochenlang im Dunkeln. Die Dunkelheit und die Kälte sind nicht nur psychisch zermürbend, sondern für viele Menschen, ins­besondere ältere Menschen oder Menschen mit Vorerkrankungen, ein großes Gesundheitsrisiko.

 

Auch der Winter 2023/2024 wird eine große Herausforderung. Viele Kraftwerke und Heizanla­gen wurden komplett zerstört und können nicht mehr repariert werden. In den Städten gibt es tausende Wohngebäude, die so stark beschädigt wurden, dass die Zentralheizung nicht mehr richtig funktioniert. In vielen größeren Städten warten tausende Men­schen darauf, dass die Fenster ihrer Wohnungen ersetzt werden. Auch nur ein beschädigtes Fens­ter kann eine Wohnung aufgrund der fehlenden Isolation nach au­ßen hin unbewohnbar machen.

 

In Regionen wie Charkiw und Dnipropetrowsk, in denen die Volkshilfe aktiv ist, haben die Menschen in den Dörfern früher Holz in den Wäldern gesammelt. Dies ist nun aufgrund der Gefahr, die von Minen und Blindgängern ausgeht, nicht mehr möglich.

 

Viele Familien haben ihre Le­bensgrundlagen verloren. Ihre Einkommen reichen nicht mehr aus, um die gestiegenen Preise für Holz, Pellets, Gas oder Kohle zu bezahlen.

Es wird außerdem erwartet, dass die russische Armee auch in die­sem Winter wieder gezielt zivile Infrastruktur beschießen wird.

 

Die Notwendigkeit von huma­nitärer Hilfe

Humanitäre Hilfe für die notleidende Bevölkerung ist daher unabdingbar. So planen wir von der Volkshilfe gemein­sam mit unseren Partnerorga­nisationen zahlreiche Hilfsmaß­nahmen, um die Menschen in den Gebieten, in denen wir aktiv sind, vor den kalten Temperatu­ren zu schützen.

Das Hauptaugenmerk unserer Hilfe liegt dabei vor allem auf Fa­milien, die in der Nähe der rus­sischen Grenze bzw. der Front leben, auf Familien, deren Woh­nungen und Häuser zerstört oder beschädigt worden sind und auf Familien, die vor den Kämpfen im Osten und Süden in sichere­re Gebiete in der Ukraine geflo­hen sind. Letztere müssen oft in schlecht isolierten Substandard- Wohnungen leben und haben nicht ausreichend Geld, um die auch in der Ukraine gestiegenen Kosten für Gas und Strom zu be­zahlen.

 

Schutz vor den winterlichen Bedingungen

Unsere Hilfe um­fasst unter anderem die Vertei­lung klassischer Winternothilfe­artikel, wie zum Beispiel warmer Winterkleidung und kleiner Elek­troöfen. In den Dörfern der Re­gion Cherson, die von den Über­schwemmungen im Zuge der Zerstörung des Kachowka-Stau­damms im Juni 2023 betroffen waren, planen wir 240 Tonnen an Heizkohle an besonders be­dürftige Familien zu verteilen. Im Oblast Charkiw werden wir 300 Familien mit Gasöfen und Gas für den Winter versorgen.

 

Beseitigung von Kriegsschä­den und Wohnungsverbes­serungen

Im Bezirk Butscha, in dem am Anfang des Krieges viele Kriegsgräuel stattgefunden haben und besonders intensi­ve Kämpfe geführt worden sind, leben noch immer viele Men­schen in stark beschädigten Ge­bäuden. Viele haben ihre Häuser und Wohnungen verloren und leben nun in schlecht isolierten Container-Wohnungen, die im Winter mehr schlecht als recht gegen die Kälte schützen. Auch ihnen helfen wir mit Öfen, Heiz­material, warmer Winterkleidung und Decken.

Auch helfen wir den Menschen im Bezirk Butscha bei der Be­seitigung von Kriegsschäden. Wir ersetzen vor allem Fenster und Türen. Dadurch werden die Wohnungen „winterfest“ ge­macht und können im Winter ef­fizient beheizt werden.

 

Finanzhilfen für bedürftige Fa­milien in ausgewählten Städ­ten der Ukraine

In Städten wie Tschernowitz und Dnipro vertei­len wir Finanzhilfen an besonders stark benachteiligte Familien. Die Familien werden im Zuge eines Verfahrens ausgewählt, in dem Sozialarbeiter*innen die Bedürf­tigkeit an Hand vorab festgeleg­ter Kriterien überprüfen. Mit den Finanzhilfen können die Familien Kosten für Strom, Gas, Winter­kleidung oder andere Dinge des täglichen Bedarfs abdecken.

 

 

8. Januar 2024